Freitag, 13. Juni 2008

aus: Daniela Dahn Kunst und Kohle

sehr passend zu den drei folgenden Bildern und auch zu Nr. 4 (in Köpenick):

"[Es sollen] alle Läden und Werkstätten der zum Kollwitzplatz führenden Husemannstraße zum [doppelt gefeierten 750.] Stadtjubiläum [1987] mit nostalgischem Flair, stilgerechten Aufschriften und vergoldeten Zunftschildern wiederbelebt werden [...]. Wer hier wohnt [...] freut sich auf die neue Altberliner Einkaufsstraße. Andere fürchten, mit so einem modischen Flanierboulevard könne das Elend früheren Arbeiterdaseins verharmlost werden. Aber diese bunte Krämergasse soll schließlich vorrangig heutigem Lebensgefühl entgegenkommen, erst dann dem Geschichtsbild. (Für dieses werden eigens einige Arbeiterstuben mit Utensilien der Jahrhundertwende eingerichtet. Bei allem Bemühen, Verelendung zu veranschaulichen, wirken sie auf mich doch wie die Sammlung eines Antiquitätenliebhabers mit gutem Geschmack.)
Noch vor der Straße ist der Spitzname fertig: Disney-Land.
Den neuen Läden, dem Scherenschleifer, Schuster, Gebrauchtwagenhändler, dem Bilderrahmer und dem Wäscheausbesserer wird es jedenfalls an Kunden nicht fehlen.
Im übrigen sollen nicht nur die Geschäftskassen in der Husemannstraße wieder klingeln. Auch für die hunderte verwitterten und schief heruntergelassenen Rollos in den Nebenstraßen werden wieder andere Zeiten kommen. Die von Kaufhallen verdrängten Krämerläden und von Betrieben, Genossenschaften und Dienstleistungskombinaten ersetzten privaten Handwerker gaben dem Bezirk einst ein ganz anderes Gepräge. Letzte verblichene Wandaufschriften erinnern an Kolonialwarenläden, an Heißmangel, Goldschmied und Lumpenankauf. Diese inzwischen fast wie selbstverständlich zum Straßenbild gehörenden toten Läden sollen nach und nach durch Zulassung von Handwerks- und Gastronomie-Gewerben oder durch Umbau als Wohnraum genutzt werden."

Das Buch erschien 1987 wohl ziemlich zeitgleich in Ost und West.

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