Sonntag, 11. November 2007

RAHEL JÄGERSTRASSE

Die Jägerstraße war besonders im 19. Jahrhundert eine der interessantesten und abwechslungsreichsten Straßen Berlins. Im jetzt vorliegenden Band, den die Geisteswissenschaftlichen Zentren vorgelegt haben, kann man dies detailliert nachlesen.
Am oberen Ende der Straße, jenseits des Gendarmenmarktes, entstand die Keimzelle des Berliner Bankenviertels. Hier siedelten sich 1815 die Söhne von Moses Mendelssohn an, Joseph und Abraham. Bereit 1795 gründeten sie die erste Berliner Privatbank. Mit dem geschäftlichen Erfolg der Familienzweige Mendelssohn und Mendelssohn-Bartholdy wuchs nicht nur die Bank zur wichtigsten Privatbank Berlins heran, die Familie entfaltete sich in den verschiedenen Häusern der Jägerstaße 53, 52, 51 und 49/50. Viele interessante Details der Familiengeschichte sind hier zu erfahren.
Fanny Hensel, geborene Mendelssohn-Bartholdy veröffentlichte ab 1846 ihre Kompositionen beim Musikverlaghaus Bote & Bock in der Jägerstraße 42. Die Familie knüpft und pflegt geschäftlichen und intellektuellen Austausch, veranstaltet Dinner, Gesellschaften. Ihre Wohnungen sind über hundert Jahre lang der Treffpunkt für Wissenschaftler, Musiker und Wirtschaftsvertreter in der Hauptstadt Preussens. "Die Geselligkeit in einem Bankiershaushalt bestand jedoch nicht nur aus musikalischen Matineen und Soireen, sondern auch in Geschäftsessen, auf denen es nicht zuletzt den Wohlstand und die Solidarität der Gastgeber zu repräsentieren galt."
Mit "Von der Jägerstraße zum Gendarmenmarkt" halten wir die Geschichte einer Familie in Händen, die in ihren Verästelungen über mehrere Generationen erzählt wird. Die Mendelssohns finanzierten u. a. die Forschungsreisen von Humboldt und waren die Gastgeber von Clara Schumann, wenn sie in Berlin auf Konzerttournee weilte. Clara Schumann schwärmte 1875 über den marmornen Musiksaal in dem sie spielen durfte: "Freude, in dem herrlichen Musiksaal zu spielen."
In der Nachbarschaft, Jägerstraße 54, wohnte Rahel Levin (Varnhagen) in einer Dachkammer zur Miete bei den Mendelssohns. Ihr Salon war die erste Adresse für BürgerInnen und Adlige, ProtestantInnen und Juden sowie Freidenker. Jedermann genoss eine freie Atmosphäre. Hier verkehrten die Brüder Humboldt, Friedrich Schlegel, Friedrich Gentz, Friedrich Schleiermacher, Prinz Louis-Ferdinand, Jean Paul, Brentano, die Brüder Wilhelm und Ludwig Tieck, Adelbert von Chamisso, Friedrich de la Motte-Fouqué etc.

aus: Yvonne de Andres, Von der Jägerstraße zum Gendarmenmarkt : Ein prall gefüllter Mikrokosmos voller literarisch-kultureller Spuren und Erinnerungen. Geschichten von Menschen und Häusern, die mit der Familie Mendelssohn beginnen.

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